D a s G r o ß e n a c h h i n t e n
u n d d a s K l e i n e n a c h v o r n e
Michael Hottner lernte ich 2005 in der Akademie in Nürnberg kennen, er
war einer meiner ersten Studenten und damals schon im fünften Semester.
Wir führten gleich eine Kunstausstellung/Aktion in einem Nürnberger
Hotel, dem «Tiergarten Hotel» durch. Das Beispiel vom Tiergarten Hotel
führe ich an, um seinen ernsthaften Umgang mit Themen zu verdeutlichen,
wobei unkonventionelle Lösungen hervortreten. In groben Zügen
war seine Idee, die gesamte Akademie inklusive aller Lebewesen, die sich
in ihr befinden, mit weißer Farbe zu «grundieren». Sein strategischer
Stützpunkt war ein Hotelzimmer, 200 Meter von der Akademie entfernt.
Mir gefiel die Idee des Neuanfangs und das Spiel der ernsthaften Auseinandersetzung
mit einer nicht realisierbaren Idee.
Seine malerische Herangehensweise ist eher konzeptionell, er handelt
nicht aus der Situation heraus, sondern plant seine Arbeiten im Voraus.
Die Leichtigkeit seiner Bilder entsteht durch die transparenten, sehr
dünnen Bildträger. Seine Arbeiten können aussehen, als wären sie direkt
auf die Wand gemalt, dadurch wirken viele der Bilder «grundlos» und
gedanklich offen. Seine Bilder erscheinen befreit, ein Wunsch, den man
als Maler selbst am besten versteht. So kann sich der im Malprozess
konstituierte Bildraum faktisch im Bild selbst entfalten und nicht als
Malerei auf bzw. vor der Leinwand. Dieser Prozess ist ein wesentliches
Merkmal für Michael Hottners Arbeitsweise, weil sich durch ihn die Tendenz
einer Verabsolutierung des Bildgedankens ablesen lässt.
Bildträger und Farbe sind Kunststoffe. Sie vermitteln Transparenz und
Leichtigkeit in Farbauftrag und Erscheinung, ich empfinde seine Bilder als
sehr sinnlich, geradezu charakteristisch sinnlich.
Michael Hottner löst seine Protagonisten aus dem Kontext heraus und
schafft ihnen artifizielle Räume. «Ich kombiniere Inhalte oder reduziere
und erarbeite durch zeichnerisches Herangehen eigene Bildwelten»,
so Michael Hottner über seine Arbeitsweise. Häufig anzutreffen ist ein
dreifacher Zusammenhang von realistischen Figuren und Flächen gestützt
von klaren Linien und Formen.
Hier verbinden sich abstrakte und realistische Tendenzen. Michael Hottner
will die Welt nicht erklären, sondern dem Betrachter zeigen, dass der
erste Blick oft nicht reicht.
Ich war als Lehrer von Anfang an von seinem zeichnerischen Talent
überzeugt, und seine neuen Arbeiten zeigen mir die starke Weiterentwicklung
seiner malerischen Fähigkeiten. Michael Hottner ist ein Maler.
Bei ihm tritt das Große nach hinten und das Kleine nach vorn. Diese
Fähigkeit zu einer bildlich und gedanklich unkonventionellen Perspektive
wird er hoffentlich behalten.
Thomas Hartmann